Innerhalb der Großen Koalition scheinen SPD und CSU näher zusammenzurücken. Zumindest bei der Frage, ob die Kalte Progression abgebaut werden soll, um so den sogenannten Mittelstandsbauch für untere und mittlere Einkommen abzuflachen. Hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kürzlich bei einem Gespräch mit Vertretern des Bundesverbandes der Selbständigen noch von einer aus seiner Sicht realistischen Entlastung von fünf Milliarden Euro gesprochen, ging CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bei einem ersten Gedankenaustausch mit den Verbandsvertretern Günther Hieber, Hans-Peter Murmann und Joachim Schäfer noch einen Schritt weiter. Auf dem Parteitag im Dezember werde die CSU ein kräftiges Steuerpaket schnüren, das die Kalte Progression zum Stichtag 01. Januar 2017 spürbar abfedern soll. Darüber hinaus stehe die steuerliche Abzugsfähigkeit von energetischer Gebäudesanierung auf der Agenda, betonte Scheuer. Weiterhin plane die CSU, die Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter zu verbessern, ohne dabei die Haushaltskonsolidierung aus dem Auge zu verlieren. Scheuer unterstrich, dass sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD einig seien, alle Maßnahmen zu prüfen, die der Wirtschaft förderlich seien. Allerdings müsse die Schrittfolge passen. Angestrebt werde ein Mix aus Sparen, Reformieren und Investieren. Die Bayern hätten vorgemacht, wie eine seriöse Haushaltspolitik aussehe, sendete der CSU-Generalsekretär ein klares Signal in Richtung Berlin.
Diskutiert wurden zwischen Andreas Scheuer und den BDS-Repräsentanten öffentlich gemachte Überlegungen in Frankreich und den südlichen EU-Ländern, den Euro-Stabilitätspakt neu zu interpretieren. Dies soll nach Worten des französischen Finanzministers dadurch geschehen, dass die Kosten, die den einzelnen Ländern durch die Reformpolitik entstehen, nicht auf die Defizitgrenzen angerechnet werden. Günther Hieber machte deutlich, dass dies ein Aufweichen des Stabilitätspaktes bedeute, was wiederum im krassen Gegensatz zu den Verlautbarungen der Bundesregierung stehe. Nach Andreas Scheuers eindeutiger Haltung wird es keine deutsche Zustimmung zur Lockerung der Defizitkriterien geben. Wer den Kurs der Stabilität in Europa verlasse, gefährde die Stabilität des Euro. Dies sei Gift für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, so sein kompromissloses Urteil.
In diesem Zusammenhang wies der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages darauf hin, dass man in den Koalitionsverhandlungen intensiv über diese Themen und Problemlösungen diskutiert habe. Inzwischen habe sich die Koalition darauf verständigt, auf Staatssekretärsebene einen Ausschuss einzusetzen, der sich unter anderem mit den Themen Sicherung des Lebensunterhaltes bei fehlender Erwerbstätigkeit, Finanzierung der Gesundheitskosten aber auch mit dem Komplex Kindergeld beschäftigen werde. Nach geltender Rechtslage spiele es keine Rolle, ob die Kinder der Zuwanderer mit ihnen in Deutschland lebten oder aber in den Heimatländern verblieben, in Bulgarien und Rumänien seien jedoch „knapp 200 Euro Kindergeld fast so hoch wie ein durchschnittlicher Monatslohn“, sodass hierdurch weitere Anreize entstehen könnten, nach Deutschland auszuwandern.
In diesem Zusammenhang übte Andreas Scheuer massive Kritik an der Alternative für Deutschland, die mit ihrer Forderung nach Ausstieg aus dem Euro den Wirtschaftsstandort Deutschland hochgradig gefährde. Für ihn heiße AfD „Abstieg für Deutschland“, ironisierte Scheuer den Namen der Lucke-Partei. Deshalb werde sich die CSU auch definitiv nicht scheuen, mit der AfD in einen politischen Wettstreit zu treten. Wer sich einmal die Einlassungen und die Streitigkeiten der AfD-Basis vor Augen führe, werde sehr schnell erkennen, „was das für ein zerstrittener Haufen ist“, so Scheuers vernichtendes Urteil. Zudem sei die AfD kein Thema nur für die Unionsparteien, sondern für alle Parteien. Die Wahl in Brandenburg habe gezeigt, dass die Linkspartei auf Platz eins der Wählerwanderung zur AfD stehe. Insofern könne er die Sympathisanten aus dem Bereich Wirtschaft nur warnen, „auf die Rattenfängerei der AfD hereinzufallen“. Auf einen möglichen EU-Beitritt der Türkei angesprochen, zeigte sich Andreas Scheuer hartleibig. Die Erdogan-Türkei mit ihrem Demokratie- und Werteverständnis sowie ihrer kulturellen Ausrichtung habe als Vollmitglied in der Europäischen Union nichts zu suchen. Für ihn sei höchstens die in der Union diskutierte privilegierte Partnerschaft eine Option.
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